Haus der Statistik

Gehen Mitte die Flächen aus? Ephraim Gothe im Gespräch mit der “ecke”

LETZTE ÄNDERUNG am Sonntag 10. September 2023 12:54 durch BV LuiseNord


Ephraim Gothe (SPD), ist Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Mitte. In der „ecke“-Ausgabe No. 3/2023 erschien dieses Gespräch über die Wohnbau-Situation im Bezirk.

Wenn man durch den Bezirk läuft, bekommt man den Eindruck, dass auch die letzte Baulücke gerade geschlossen wird. Gehen uns die Flächen für den Wohnungsbau aus?

Das Stadtentwicklungsamt leidet jedenfalls nicht an Unterbeschäftigung. Es gibt durchaus Wohnungsbaupotentiale auf unbebauten Flächen.

Auf der anderen Seite tut sich auch auf bebauten Flächen etwas, beispielsweise in der Müllerstraße gegenüber dem Bayer-Areal.

Dort sind wir im Gespräch mit den Grundstückseigentümern, wie die Flächen mit dem Netto-Markt, dem Bayer-Parkhaus und den Laboratorien weiterentwickelt werden könnten. Zusätzlich könnten hier 150 Wohneinheiten entstehen.

Ephraim Gothe,Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung
Ephraim Gothe, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, im Gespräch

Aber gebaut werden doch hauptsächlich Bürohäuser – jedenfalls gewinnt man mitunter diesen Eindruck.

In Mitte entstehen durchaus neue Wohnungen, beispielsweise in WBM-Bauprojekten an der Köpenicker Straße oder auch an der Bernauer Straße.

Dieser Beitrag erschien als Artikel in der aktuellen Ausgabe der Stadtteil­zeitung „ecke köpenicker. Siehe Download-Link unten
Dieser Beitrag erschien als Artikel in der aktuellen Ausgabe der Stadtteil­zeitung „ecke köpenicker. Siehe Download-Link unten

Doch auch jenseits von Wohnungen und Büros gibt es sehr qualitätsvolle Projekte: das deutsche Herzzentrum zum Beispiel auf dem Campus Virchow der Charité, das gemeinsame Zentrum von Charité und BAYER für Gen- und Zelltherapie auf dem BAYER-Gelände oder das Quartier Am Humboldthain auf dem alten AEG-Areal, wo produktionsnah geforscht und entwickelt werden soll.

In der Turmstraße 21 wird das ehemalige Krankenhaus Moabit zu einem klimaresilienten und CO2-neutralen Quartier für soziale und gesundheitliche Dienstleistungen entwickelt. Aber auch im öffentlichen Raum gibt es wichtige Vorhaben.

Ein Beispiel ist der neu entstehende »Döberitzer Grünzug« am Geschichtspark entlang der S-Bahn nördlich des Hauptbahnhofs, der von der Grün GmbH gestaltet wird. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Obdachlosencamps, das sich bislang an diesem Ort befand, konnten zuvor mit Unterstützung der Stadtmission und der AWO in ehemalige Räume der Kältehilfe umziehen.

Und in der Luisenstadt läuft jetzt ein Wettbewerb für die Gestaltung des nächsten Abschnitts des Spreeuferwegs, bei dem auch Vorschläge für einen Neubau der Waisenbrücke erwünscht sind.

Ein umstrittenes Projekt ist der Umbau des Warenhauses am Leopoldplatz in der Müllerstraße 25. Das gehört zur Hälfte dem Projektentwickler Signa Real Estate des österreichischen Milliardärs René Benko.
Muss man nicht befürchten, dass die Signa ihren Grundstücksanteil mit hohem Gewinn verkauft, sobald die BVV einen neuen Bebauungsplan beschließt, der hier zusätzlich zum Handel auch 30.000 Quadratmeter Büroflächen zulässt?
Auch Galeria am Alexanderplatz wurde ja von Signa vor kurzem veräußert, obwohl der Umbau samt Neubau eines Hochhauses noch voll im Gange ist …

Senat und Bezirke ringen mit Herrn Benko und seinem Signa-Konzern um das Überleben der großen Warenhäuser in Berlin. Wir sind hierbei bereit, sehr viel zu tun, vor allem beim Schaffen von Baurecht, um dieses Ziel zu unterstützen.

Die Nachricht, dass eines der wichtigsten Häuser, das Galeria-Haus am Alexanderplatz, verkauft wird, kam völlig überraschend. Welche Bedingungen an den Verkauf geknüpft sind, ist unbekannt. Das ist alles andere als ein vertrauensbildendes Vorgehen. Das Misstrauen gegen das Geschäftsgebaren von Herrn Benko hat sich erneut bestätigt.

Auf dem Weddinger Karstadt-Grundstück sollen auch 2000 Quadratmeter für Gemeinbedarf entstehen. Der Bezirk sucht am Leo schon seit Jahren nach Räumen für ein »Haus der Hilfe « für Drogenabhängige und Obdachlose.
Aber die Vorstellungen der Architekten gingen bei einer öffentlichen Präsentation ihrer Vorschläge eher in Richtung »gemeinwohlorientiertes Gewerbe«, beispielsweise eine Tanzschule oder ein gemütliches Café …

Das Haus der Hilfe würde nur einen kleinen Teil dieser 2000 Quadratmeter in Anspruch nehmen. Die sollen büronah genutzt werden, also nicht für Sonderwohnformen oder für Sport zum Beispiel.


Noch mehr „Gothe“ hier im Blog

Zu der gemeinwohlorientierten Nutzung haben meine Kollegen und Kolleginnen im Bezirksamt ihre Vorstellungen eingebracht: Herr Keller für die Abteilung Jugend, Familie und Gesundheit genauso wie Herr Spallek für die Abteilung Soziales und Bürgerdienste oder die Bezirksbürgermeisterin Frau Remlinger. Wir finden sicherlich gemeinsam eine Lösung.

Haus der Statistik
Haus der Statistik: Beim Haus der Statistik am Alexanderplatz ist die Nachfrage nach Gemeinbedarf-Fläche zehn mal höher als das Angebot.

Ich kann von meiner Seite auf die Erfahrungen vom Haus der Statistik am Alexanderplatz verweisen. Dort wurden etwa 5000 Quadratmeter an Gemeinbedarfsfläche zur Nutzung ausgeschrieben, die Nachfrage war enorm und hätte für insgesamt etwa 50.000 Quadratmeter gereicht, also das zehnfache der zur Verfügung stehenden Fläche.

Auch der Bedarf von gemeinnützigen Organisationen aus der Zivilgesellschaft ist also sehr hoch.

Städtebaulich wird das Karstadt-Projekt am Leopoldplatz neue Akzente setzen, denn der im Wettbewerb ausgewählte Siegerentwurf verzichtet weitestmöglich auf Abriss und schafft zusätzliche Flächen vor allem durch Aufbauten aus Holz. Könnte das nicht beispielgebend sein – etwa für das leerstehende Schillerpark-Center?

Auch die anderen Architekturbüros im Wettbewerb haben Holzaufbauten anstelle der Parketage vorgeschlagen, was auch daran liegt, dass Holz als Baustoff deutlich leichter ist als Beton und deshalb die Statik nicht so belastet. Deshalb erhält man mit Holzbau mehr Nutzfläche.

Das geht aber nicht immer, sondern hängt unter anderem auch vom Brandschutz ab. Der ist beim Schillerpark-Center schwierig, wie wir seit dem Versuch wissen, dort den Gemeinschaftsgarten himmelbeet auf dem Dach anzusiedeln. Zudem sind hier die Eigentumsverhältnisse kompliziert.

Das Grundstück gehört der BVG, die es an den Investor nur verpachtet hat. Dieser ist aber zugleich Eigentümer des darauf stehenden Gebäudes.

Themenwechsel: In Moabit soll die Förderung im Programm »Lebendige Zentren und Quartiere« für das Gebiet Turmstraße im Jahr 2024 vorfristig auslaufen, also zwei Jahre früher als ursprünglich geplant. Die anderen Fördergebiete, in denen diese Zeitung erscheint, sollen dann 2026 folgen.
Was wird im Gebiet Turmstraße aus den Projekten, die noch nicht umgesetzt sind, zum Beispiel der Nahraum Bremer Straße oder die Umgestaltung der Lübecker Straße?

In der Tat bedeutet die vorfristige Aufhebung des Fördergebiets, dass bestimmte Projekte nicht mehr realisiert werden können, jedenfalls nicht im Rahmen der Förderung.

Dazu gehören beispielsweise die Jugendverkehrsschule oder auch das Schul-Umwelt-Zentrum, beides Vorhaben im Nahraum Bremer Straße. Die Umgestaltung der Lübecker Straße dagegen werden wir noch umsetzen.

Sind neue städtebaulichen Fördergebiete in Mitte geplant, und wenn ja, wo?

Es gibt ja bereits das neue Fördergebiet Badstraße/Pankstraße, das seit Anfang des Jahres vom Büro KoSP betreut wird. Und beim Senat haben wir mehrere kleine Gebiete angemeldet, wobei noch nicht entschieden ist, welche näher untersucht werden sollen:
Das Zentrum des Hansaviertels zum Beispiel, kleinere Gebiete an der Brunnenstraße, der Heinrich-Heine-Straße und der Potsdamer Straße Nord.

Eine größere Förderkulisse können wir uns gut im historischen Zentrum vorstellen, vom Molkenmarkt und vom Roten Rathaus über das Marx-Engels-Forum, den Gendarmenmarkt bis hin zur Friedrichstraße. Dabei ginge es nicht nur um das Verkehrskonzept, über das ja schon viel diskutiert wird, sondern um ein Gesamtkonzept für das historische Zentrum.

Dort gilt es, viele anstehende Maßnahmen zu koordinieren. Auch ein nachhaltiges Energiekonzept für das ganze Quartier wäre ein interessantes Thema.

Heiß debattiert wurde vor der Sommerpause auch das neue Heizungsgesetz. In Berlin-Mitte könnte man fast alle Häuser an Fernwärme anschließen.
Wie aber soll die klimafreundlich produziert werden? Das Heizkraftwerk Moabit läuft ja bislang noch hauptsächlich mit Kohle …

Dazu laufen gerade die Untersuchungen zur gesamtstädtischen Wärmeplanung, die Anfang 2026 zu einem ersten Plan führen sollen. Jetzt wird zunächst einmal erfasst, wo überall Abwärmequellen vorhanden sind – nicht nur in der verarbeitenden Industrie, sondern zum Beispiel auch in Rechenzentren.

Es werden die Potenziale der Biomasse abgeschätzt und die Möglichkeiten von Wärmepumpen an Gewässern. Ich kenne sehr spannende Projekte z.B. aus Dänemark, die auch hier zum Einsatz kommen könnten.

Bei einzelnen Neubauprojekten kann die Geothermie eine Rolle spielen. Auch ich bin gespannt auf die Ergebnisse dieser Untersuchungen. Die energetische Versorgung gehört ebenso wie Mobilitätsfragen, Klimaanpassung und preiswertes Wohnen zu den entscheidenden Themen für die städtebauliche Entwicklung.


Quelle: „ecke köpenicker No 3 Juli August 2023“
Alle Fotos: Ch. Eckelt


ecke köpenicker Nr. 3 für Juli August 2023 - Hier lesen/downloaden
ecke köpenicker Nr. 3 für Juli August 2023 – Hier lesen/downloaden
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