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Der folgende Text erschien als Artikel in der Stadtteilzeitung “ecke köpenicker” No. 1 Februar März 2022
Vermutlich wissen nicht alle Leserinnen, was ein Helikoptergrundstück ist. Für die Vorgeschichte des Wohnprojektes Spreefeld zwischen Wilhelmine-Gemberg-Weg und Spree ist diese Sonderform von Immobilien aber durchaus wichtig.
Helikopter- oder Hubschraubergrundstück nennt man ein Anwesen, das keine Anbindung an öffentliches Straßenland hat und bei dem Leitungs- und Wegerechte fehlen.
Als Baugrund ist solches Gelände nicht zu gebrauchen, denn man kann es ja legal nur mittels Hubschrauber betreten.
Genau ein solches Terrain war das Spreefeld. Es hat zwar das Spreeufer und sogar ein Bootshaus. Aber selbst in einer Stadt wie Berlin würde es niemand wagen, vom Wasser aus eine Laube zu erbauen, ganz zu schweigen von drei sechsgeschossigen Wohnhäusern.
Abenteuerlich ist die Geschichte, wie es dann doch so gekommen ist
Es begann Anfang der 2000er Jahre mit einer Gruppe von ungefähr einem Dutzend Künstlerinnen um Jochen Sandig, Sasha Waltz, Andreas Trogisch und Christian Schöningh. Sie wollten eine Baugruppe bilden, um die alte Seifenfabrik neben dem Spreefeld in ein Wohnhaus auszubauen.
Aber die Besitzerin der Seifenfabrik verweigerte den bunten Vögeln den Zuschlag. Der Blick der Baulustigen fiel auf das benachbarte Grundstück, das treuhänderisch von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIM) verwaltet wurde. Sie loteten die Machbarkeiten aus und begannen mit ersten groben Planungen. Nach diesen sollte eine Stiftung das Grundstück für sie erwerben.
Die Schweizer Rentenstiftung Abendrot stammt aus der Friedensbewegung und fördert nachhaltige soziale und ökologische Projekte. Allerdings sollen für die Schweizer Rentner auch Renditen abfallen.
Die Verhandlungen gestalteten sich wegen der fehlenden Erschließung zur Straße und der komplizierten Rechtslage schwierig. Deshalb nahm Abendrot vom Kauf Abstand. Und weder die Hochtief noch das Deutsche Architekten Zentrum an der Köpenicker Straße wollten dem Spreefeld Wege- und Leitungsrecht einräumen aus Angst, damit den Wert ihrer eigenen Immobilien zu mindern.
Nun begannen Geheimverhandlungen, denn als bekannt wurde, dass die Seifenfabrik versteigert würde, fand Christian Schöningh heraus, wer aller Wahrscheinlichkeit nach den Zuschlag bekommen würde.
Der spätere Besitzer war mit einem Deal einverstanden
Dafür, dass die Spreefeldler einen Abstand zur Brandwand der Seifenfabrik für den freien Blick zur Spree garantierten, bekamen sie das wertvolle Wegerecht zugesagt. Erst jetzt konnte eine ernsthafte Planung und Projektarbeit beginnen.
2009 gründeten sie die Spreefeld GmbH, um das Grundstück zu bebauen. Vier Berliner Architekturbüros waren beteiligt: fatkoehl, BAR und carpaneto schöningh, koordiniert von Die Zusammenarbeiter. Die Generalplanung lag bei Silvia Carpaneto.
Die drei Häuser mit sechs Stockwerken wurden jeweils von einem der Architekturbüros konzipiert. Im Erdgeschoss sah die Planung fünf Meter hohe Gewerbeflächen vor. Dass bei dieser Bauhöhe Aufzüge obligatorisch sind, hatte Schöningh bei der ersten Kostenberechnung glatt vergessen, immerhin € 124.000,- pro Haus. Die Spreefeld GmbH brauchte nicht nur deshalb Teilhaber mit ordentlich Kapital.
Die Planer wollten anstatt der GmbH lieber eine Genossenschaft gründen und schrieben ein Grundsatzpapier mit Rechten und Zusagen für die gesuchten Kapitalgeber.
Etwas über 80 Genossen wurden in einem sehr komplizierten und schwierigen Entscheidungsverfahren ausgesucht
Viele Bewerber schieden wegen der nötigen mindestens € 50.000,- Eigenkapital aus oder weil sie nicht für KfW-Förderkredite in Frage kamen.
Schließlich war es so weit, die Mitglieder konnten eingeladen werden. Am 3. Mai 2012 wurde die Spreefeld Genossenschaft gegründet. Noch im selben Jahr wurde der Grundstein gelegt.
Die traditionelle Kapsel, die dabei vergraben wird, war in diesem Fall eine große runde Filmbüchse. Darin die Baupläne des Spreefeldes, damit irgendwann die Gebäude im Falle einer Zerstörung nach den alten Unterlagen wieder gebaut werden können.
Und damit auch für die Zukunft immer die Finanzen stimmen, legte die Buchhalterin Der Zusammenarbeiter einen Euro mit hinein.
Dass ein Haus noch vor Fertigstellung des Rohbaus Opfer einer Brandstiftung wurde und wie es mit den Bauten des Spreefeldes bis zum Happy End weiter ging, wird in einer nächsten Ausgabe der ecke köpenicker zu lesen sein.
Text: Falko Hennig
Dieser Beitrag erschien in der “ecke köpenicker” im Februar 2022.
Diese Ecke No 1 / 2022 hier lesen/herunterladen
Abildungen: Google Earth
Die drei Spreefeld-Gebäude sind ufernah in der Mitte des Bildes zu sehen. Alter der Aufnahme mindestens zwei Jahre.
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